Bodybuilding-Mythen

Einige so genannte Bodybuildingmythen scheinen nie auszusterben. Diese sind so tief verwurzelt in den Köpfen der Sportler, dass man gegen Windmühlen kämpft, wenn man sie über die tatsächlichen Zusammenhänge informieren möchte. Bestand haben diese Mythen bisher dadurch gehabt, weil das Training weniger wissenschaftlich/logisch aufgebaut war, sondern eher eine willkürliche Ansammlung von Annahmen und Interpretationen. Hier schreibe ich über vier Bodybuildingmythen, die meiner Meinung nach die meiste Verbreitung in den Trainingsplänen haben.

1. Masseübungen vs. Definitionsübungen

Der erste Mythos, den ich besprechen möchte ist der, dass man durch Grundübungen Masse aufbauen und durch Isolationsübungen an Definition gewinnen soll. Oft sehe ich Leute im Studio, die ihr Training genau danach aufbauen: erst eine Übung um Masse aufzubauen - Bankdrücken - dann eine, welche die oberen Bereiche der Brust trainieren soll und dann Kabelziehen überkreuz, was, der mehrheitlichen Meinung folgend, eine sehr gute Übung für die unteren Brustmuskeln sowie für Definition in der Brust sein soll. Man wird nicht definierter durch bestimmte Übungen, das ist absoluter Blödsinn. Definition erreicht man durch den Abbau von Unterhautfettgewebe, Punkt. Ein spezielles Training wird keine Verbesserungen bezüglich der Definition bringen. Ein Muskel ist in der Lage, sich zusammenzuziehen, zu mehr aber eigentlich nicht. Er kann nicht erkennen, ob er gerade Bankdrücken macht und demnach mit Massewachstum reagieren soll, oder Kabelziehen, bei denen der Muskel definierter werden soll; er hat ja keine Augen. Betrachtet man ausschließlich den Oberkörper mit den Oberarmen bei Bankdrücken und Kabelziehen ohne die Unterarme mit einzubeziehen, erkennt man keinen Unterschied, ob man nun Bankdrücken oder Kabelziehen ausübt. Der Oberarm bewegt sich im Halbkreis vor die Brust, ob ich nun meinen Unterarm anwinkle (wie beim Bankdrücken) oder gerade lasse (wie beim Kabelziehen) kann der Brustmuskel niemals wissen! Ich habe eine Vermutung, wie solche Mythen entstehen könnten: der Bodybuilder möchte sich auf einen Wettkampf vorbereiten und fängt mit einer kalorienreduzierten Diät an. Durch die geringere Nahrungsaufnahme ist der Athlet schwächer, besonders bei Grundübungen wie Bankdrücken. Also macht er Kabelziehen, da diese Übung weniger belastend für das System ist. Und siehe da: die Brust wird definierter! Vergessen aber wird, dass man eine Diät gehalten hat. Wer seine Definition verbessern möchte, sollte sich darum bemühen, unter der Haut eingelagertes Fett abzubauen. Unsere Haut ist nicht besonders dick was viele Leute aber dennoch behaupten, um ihre schlechte Form zu rechtfertigen. Ist das Fett unter der Haut verschwunden, wird sie sich über die Muskeln spannen und die Muskelfasern werden zu sehen sein.

2. Masseübungen vs. Formübungen

Kommen wir zum zweiten Mysterium: unterschiedliche Techniken sollen bestimmte Bereiche des Muskels besser ausbilden, wie z.B. das eng und breit greifen bei Bankdrücken. Außer die Hebelverhältnisse zu ändern, die den Muskel in den Übungen stärker oder schwächer machen, bringt es absolut gar nichts, die Griffweite zu ändern. Die Vermutung, dass man die innere Brust trainiert, wenn man eng greift und die äußere bei einer breiten Griffweite, ist absolut falsch. Der Muskel besteht aus Fasern, die sich von einem Ende der Sehne bis zum anderen Ende der Sehne ziehen. Eine Muskelfaser, die wächst, wächst in ihrer Gesamtheit und nicht am einen Ende und am anderen Ende bleibt sie, wie sie war. Langhantelcurls sollen Masse bringen, wogegen Scottcurls die Bizepshöhe ausbilden sollen. Wie soll das denn gehen, bitte schön? Die Form eines Muskels ist genetisch vorgeschrieben; ein Bodybuilder, dessen Bizeps klein und kugelig ist, kann Langhantelcurls ausführen, bis er schwarz wird, er wird die Form seiner Bizeps nicht nennenswert verändern können. Jemand, dessen Bizeps massig sind aber an Höhe zu wünschen übrig lassen, wird mit Scottcurls keine höheren Bizepse entwickeln. Wie kann ein Muskel wissen, ob er nun Scottcurls ausführt, und demnach mit Höhenwachstum reagieren sollte, oder Langhantelcurls, bei denen der Muskel in seiner Gesamtmasse wachsen soll? Er kann es nicht. Er kann sich aber zusammenziehen und das ist das einzige, worauf es bei der Stimulierung von Muskelwachstum ankommt; wie der Muskel sich dann entwickelt ist Sache der Gene.

3. Der Körper ist kein geometrisches Objekt

Oft wird versucht, eine scheinbar “perfekte” Übungsausführung zu erzwingen. Dies kann aber sehr gefährlich werden, ganz besonders für unseren Bewegungsapparat. Zum Beispiel habe ich schon des öfteren beobachten müssen, wie jemand French Presses machte; der Trainingspartner stand daneben und drückte die Ellbogen des Trainierenden so weit zusammen, dass dessen Arme parallel zueinander standen. Ähnlich, wie früher das “perfekte Gehen und sitzen” durch mittelalterlich anmutende Gerätschaften bei Kindern erzwungen werden sollte, versucht man hier auch, den Körper “perfekt” zu positionieren. Parallelität der Arme erweckt ja auch den Eindruck, die Übung “sauber” auszuführen. Dies ist aber gefährlich; der Körper weiß sozusagen über sich am besten Bescheid und nicht die Mathematik (Parallelität). Offensichtlich sind die Hebelverhältnisse bei dieser Übung so, dass der Arm nicht anders kann, als die Arme etwas auseinander zu bewegen. Wirkt man dem von außen mit genügend Kraft entgegen, gerät der Körper in eine ungünstige Position. Der offensichtliche Kraft Verlust hierbei wird fälschlicherweise als “Beweis” gesehen, dass man vorher nicht korrekt trainiert habe. Tatsächlich aber versucht der Körper, die Übung so auszuführen, dass die Muskeln geschont und die Kraft ökonomisch eingesetzt wird. Ähnlich gefährlich sind Klappmesser, bei denen der Trainingspartner die Beine in Richtung Boden Schleudert, und der Trainierende muss diese Schwungbewegung abbremsen. Keiner würde Fliegende Bewegungen ausführen, bei denen der Trainingspartner einem die Arme runterzerrt und schon gar nicht, wenn die Arme perfekt gestreckt sind, damit sie einer mathematischen Geraden nachkommen.

4. Waden und Bauch jeden Tag trainieren

Während andere Muskeln für gewöhnlich einmal die Woche trainiert werden, scheint es noch geläufig zu sein, Waden und Bauch jeden Tag zu trainieren. Als Begründung wird stets erwähnt, dass die Waden durch Gehen schon beansprucht würden und sie dementsprechend “ausdauernd” sind; Auch die Bauchmuskeln sollen, durch ihre ständige Haltearbeit für den Oberkörper, ausdauernd sein und demnach öfter als die anderen Muskeln trainiert werden. Nicht Gefühl oder Intuition sollten unser Training bestimmt, sondern Logik. Folglich hat jede Wiederholung, jeder Satz und jede Trainingseinheit einen Platz in unserem umfassenden Gebilde namens Trainingswissenschaft. Um der unwidersprüchlichen Theorie zu folgen, muss auch das Bauch-/Wadentraining frei von unlogischen Schlussfolgerungen und Interpretationen sein. Der Bauchmuskel ist, wie der Name schon sagt, ein Muskel. Der Bauchmuskel besteht nicht aus irgendeinem Stoff, den wir nicht kennen; er besteht aus den selben Elementen, wie jeder andere (Skelett-) Muskel unseres Körpers auch. Das bedeutet, dass wir den Bauch auch genau so trainieren sollten, wie die anderen Körperteile auch. Betrachten wir das mal von einer anderen Seite: wenn argumentiert wird, dass der Bauch/ die Waden täglich dauerhaft beansprucht würden, wie kann man sagen, dass ein noch mehr an muskulärer Arbeit mehr Erfolg bringen würde? Während man zum einen sagt, dass der Muskel übertrainiert sei, wie kann man im selben Atemzug meinen, Übertraining wäre der Schlüssel zum Wachstum der so genannten störrischen Muskeln? Stell dir (und anderen) Fragen, die du dir nie gestellt hast. Nimm nicht alles als gegeben hin, sondern hinterfrage es. Macht es Sinn, macht es keinen Sinn….etc. Nur wenn deine Antwort einen logischen Zusammenhang hat, kannst du sicher sein, nicht orientierungslos auf irgendwelche Fortschritte hoffen zu müssen.